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Corona Zahlen steigen - Intensivbettenbelegung auch

"Wir machen uns Sorgen"

Die Krankenhäuser in der Rhein Neckar Region werden immer voller, letzte Woche sind wieder drei Patienten in Mannheim verstorben. Das Radio Regenbogen-Interview mit Ishar-Singh Gill, dem Oberarzt der Corona Intensivstation des Universitätsklinikums Mannheim.

Herr Gill können Sie kurz für uns einschätzen: wie gefährlich ist die Lage aktuell am Uniklinikum Mannheim?
Wir wissen, dass in der letzten Woche die Umgebung sehr voll ist. Wir hatten in der Uniklinik 10 von 10 Covid-Betten besetzt. Das Theresienkrankenhaus, das Diako war voll. Wir hatten Cluster in Heidelberg, wo auch Schwetzingen und das Uniklinikum mit drin sind. Da hatten wir insgesamt über 40 Patienten auf der Intensivstation liegen. Davon noch 10 in Mannheim. Und das sind nur die Intensivbetten. Auf der Normalstation haben wir sogar nochmal 25 Patienten.
 
Würden Sie die Lage als besorgniserregend einschätzen?
Ja auf jeden Fall. Wir sehen, dass in den letzten Wochen die Krankenhausaufnahmen deutlich zunehmen. Wenn man die Statistik anschaut, sieht man, dass die 7 Tage Durchschnitts Aufnahme vom Krankenhaus auf über 900 geschnellt ist. Im August war der Wert noch unter 200. Das ist ein exponentielles Wachstum. Wir machen uns Sorgen, weil wir Tag ein Tag aus Pläne schmieden, wo der nächste Patient hingeht, wenn mehrere gleichzeitig kommen.
 
Ist es so, dass deutlich mehr Ungeimpfte auf der Intensivstation landen?
Das ist definitiv so. Wir haben im Januar angefangen zu impfen in Deutschland. Da ist es an zwei Händen abzuzählen, wie viele Leute auf der Intensivstation landen, die den vollen Impfschutz haben. Das waren natürlich die Leute, von denen man weiß, dass der Impfschutz möglicherweise schlechter wirkt – also Patienten mit Vorerkrankungen, die immungeschwächt sind. Über 95% der Patienten, die wir hier hatten waren ungeimpft.
 
Wohin kommen Patienten, die Intensivmedizinisch betreut werden müssen?
Die Intensivstationen sind voll, keine Frage. Aber es ist so, dass wir die Pläne aus dem letzten Jahr noch in den Schubläden haben. Jeder Patient, der eine akute Therapie benötigt, der wird natürlich versorgt. Wir sind in der Lage Betten zu generieren, die sonst nicht zur Verfügung stehen. Dann werden andere Bereiche geschlossen, dann wird das Elektivprogramm zurückgefahren werden müssen. Letztendlich müssen wir die gleichen Spiele spielen, wie im letzten Jahr. 

Sie sagen, die Aufnahme steigt exponentiell an. Können Sie eine Triage ausschließen?
Wir haben Triage-Pläne. Hoffen wir mal, dass wir nicht in diese Situationen kommen. Letztes Jahr kamen wir nicht in diese Situation, da wir Patienten in kritischen Situationen auf andere Bundesländer verlegen konnten und so nicht in die Bredouille kamen eine Triage-Entscheidung zu treffen. Aber es gibt diese Pläne. Ich hoffe, dass wir diese nicht anfassen müssen.

Wie geht’s der Belegschaft? Geht da die Angst um?
Wir sind uns sicher, dass die Patientenzahlen in die Höhe schnellen werden. Wir sind ja nicht mal Mitte November. Der 7 Tages Schnitt ist höher als im letzten Jahr. Wir gehen davon aus, dass es sehr schlimm wird. Man wünscht sich ein Ende herbei, aber wir wissen auch, dass das noch lange nicht zu Ende ist. Ich glaube auch, dass wir den Peak der jetzigen Welle noch nicht erlebt haben.
 
Also ihre Prognose ist: es wird immer schlimmer?
Das Problem ist: man kann in die Zahlen nicht hineinschauen. Man hört, dass es mehr jüngere Patienten sind. Ein gewisser Prozentsatz wird schwer erkranken. Wir haben eine begrenzte Zahl an Intensivkapazitäten in Deutschland. Je Höher diese Inzidenz steigt und der Prozentsatz steigt, der ins Krankenhaus kommt, dann werden die Bettenzahlen geringer und dann wird es auch so kommen, dass wir knapp an unsere Ressourcengrenzen gehen müssen, um die ganzen Patienten zu behandeln.

Baden-Württemberg wird wohl noch im November, vielleicht in dieser Woche die Alarmstufe ausrufen. Befürworten Sie das?
Aus Mediziner Sicht: ja! Weil das schlimmste wäre, wenn wir doch in eine Situation kommen wenn wir die Patienten nicht mehr versorgen können. Aber aus Sicht des jeden Einzelnen, der da draußen ist und müde von der Pandemie ist.. ein schwieriges Thema … 

Meinen Sie, wir bräuchten noch einen Lockdown?
Ich glaube da wird kein Weg dran vorbeiführen. Wenn die Zahlen so steigen und vor allem wenn die Krankenhausaufnahmen weiter so stetig steigen, dann wird das kommen müssen! Wie das im Detail aussieht, das muss man sehen. Alles andere kann ich mir nicht vorstellen, dass man da sehen des Auges ins Verderben läuft.

Was sollte getan werden, um die Pandemie in den Griff zu bekommen? Idealerweise die Impfung, oder?
Ich bin schon bei der dritten Impfung, einige Menschen haben sich nicht mal ein Mal impfen lassen. Ich glaube nicht, dass wir ohne Impfung aus der Misere rauskommen. Ein Lockdown kann das Infektionsgeschehen nur abbremsen, die Pandemie werden wir dadurch nicht besiegen. An der Impfung läuft kein Weg dran vorbei.