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In einem Ortsteil von Neustadt an der Weinstraße spielen im einen Hof die Kinder, während nebenan die Freier ein und aus gehen

Das Bordell nebenan

Lachen-Speyerdorf ist ein beschaulicher Ortsteil von Neustadt an der Weinstraße. Doch hier sorgen drei fast identische Hausnummern für Verwirrung bei den Freiern und Ärger bei den Anwohnern

Stell Dir vor, Du kommst aus dem Sommerurlaub heim und plötzlich steht neben Deinem Anwesen nicht mehr ein Elektronikhandel, sondern ein Puff. Eine kleine weiße Lagerhalle im Gewerbegebiet von Lachen-Speyerdorf, ein Ortsteil von Neustadt an der Weinstraße, sorgt für Ärger und Angst bei den Nachbarn. Denn hier wird nix gelagert - hier geht es zur Sache. Das Gewerbegebiet von Lachen-Speyerdorf ist ein gemischtes Gewerbegebiet. Sprich, neben rein industriellen Betrieben stehen dort größtenteils auch Wohnhäuser. Ein großes Problem für Anwohner wie Freier: drei Häuser in der Straße "Im Altenschemel" haben fast die identische Hausnummer: 37, 37a und eben 37a/1. Im letzten der drei Häuser befindet sich das Rotlicht-Etablissement. Das ist auf einschlägigen Seiten im Netz auch zu finden, was aber diverse Freier trotzdem nicht davon abhält, auch bei der 37 und der 37a zu klingeln oder zu klopfen. Und das teils spät in der Nacht. Weil es aber nicht nur dabei bleibt, hat der Anwohner aus der 37 medeinträchtig ein großes Plakat an seinem Hoftor befestigt. "Teilweise bin ich mit meiner Frau zusammen aus dem Haus gekommen und dann lief einer direkt auf uns und das Schild zu und hat trotzdem nicht kapiert, das der Puff zwei Häuser weiter ist", schildert der Mann seinen Alltag, seit es in seiner Nachbarschaft käufliche Liebe gibt. Er kritisiert vorallem die Stadt. Die habe seiner Meinung nach die Anwohner vorher informieren müssen, wer da sein Gewerbe treibt. "Das muss doch gekennzeichnet werden, das da ein Puff ist", fordert der Anwohner.

Hier leben 15 Kinder: teils mit "perfektem" Blick in den Hof des Puffs

Auch Familie Ertürk leidet unter den neuen Nachbarn. Seit 2002 lebt die Familie "Im Altenschemel", produziert dort türkische Backwaren, hat zwei große Lagerhallen für türkische Spezialitäten und verkauft das alles vor Ort an Großkunden, wie Besitzer türkischer Supermarktketten. Außerdem leben die Ertürks hier - an die Geschäftsräume schließen sich verschiedene Wohnungen der Familie an. Insgesamt leben auf dem Anwesen der Ertürks 15 Kinder. Ein Teil von ihnen hat vom Kinderzimmer aus den "Perfekten" Blick in den Innenhof des Puffs. "Ich habe die Fenster von den Kinderschlafzimmern mit Folie beklebt, denn die Frauen sitzen da draußen, tragen nur ganz durchsichtige Hemdchen oder rauchen da nur mit Unterhosen an". Mutter Arzu Donnermaier-Ertürk ist entsetzt. Im Sommer 2017 verbrachte sie sechs Wochen Ferien in der Türkei mit ihrer Familie. Dass in der ehemalige Elektrohandel neben ihrem Anwesen im Umbau war, war ihr bewusst. "Eigentlich wollten wir das Grundstück kaufen, aber der Preis war viel zu hoch. Hätten wir damals gewusst, was auf uns zukommt, hätten wir auch 20.000 Euro mehr gezahlt", ärgert sich Arzu Donnermaier-Ertürk heute. Die Bauarbeiter hatten ihrer Familie immer wieder gesagt, in der 37a/1 würde ein Gästehaus für montage-Arbeiter entstehen.

"Liebling, wir leben neben einem Puff"

Nach dem Urlaub der Schock: leichtbekleidete Damen warten auf Freier, Freier warten in ihren Autos auf ihren "Massagetermin". Inzwischen musste sich die Familie Ertürk ein circa vier mal zwei Meter großes elektrisches Hoftor anschaffen. Denn das Firmenschild auf dem eindeutig türkische Backwaren und Spezialitäten zu erkennen sind, reichte nicht mehr aus. "Ständig kamen die hier auf den Hof. Auch wenn ich hier mit meinem Mann saß. Die drücken sich immer erst was zu sagen, aber dann frag' ich die schon `Wollen Sie zu den Frauen?´" beschreibt Figem Ertürk die Situation. Trotz Hoftor und Schildern klingeln die liebestollen Kunden oft trotzdem Sturm. Nachts, betrunken und die Ertürks werden aus dem Schlaf gerissen. "Ich bin gespannt, wie es diesen Sommer wird. Letztes Jahr haben die Frauen ja schon rüber geschrien unsere Kinder sollen beim Spielen leiser sein. Das ist unser Hof, unsere Kinder, die dürfen hier ja wohl im Sommer draußen spielen und auch mal lauter sein. Dafür ist es ja auch ein Gewerbegebiet. Aber dieses Verhalten? Ich schreie die doch auch nicht an!" beschreibt Arzu Donnermaier-Ertürk das Miteinander.  Inzwischen wird der Puff nebenan aber auch zu einem wirtschaftlichen Problem für die türkisch-stämmige Familie. Abgesehen von tausenden Euro Unkosten wegen neuer Schilder und der Installation des elektrischen Hoftors gibt es inzwischen auch immer mehr Kunden, die nicht mehr bei den Ertürks kaufen wollen. Beziehungsweise einige besorgte Ehefrauen von Kunden, die ihre Männer "Im Altenschemel" nicht mehr sorglos oliven kaufen lassen. "Und man findet bei Google Maps eher den Puff als uns. Das ist blöd für Neukunden und wer uns schon kennt denkt nachher, das wir hier noch nebenher ein Freudenhaus eröffnet haben. Das ist peinlich!" ärgert sich Arzu Donnermaier-Ertürk.

Was sagt Neustadt an der Weinstraße zu dem Puff?

Noch ist nichts entschieden! Wie uns Miriam Schart, Mitarbeiterin aus dem Büro des Oberbürgermeisters telefonisch bestätigte, laufen sämtliche Anträge für den Puff sowohl bei der Gewerbeaufsicht, als auch bei den Ordnungsbehörden. Grundsätzlich spricht gesetzlich nichts gegen ein solches Etablissement in einem Gewerbegebiet. Dennoch hat die Stadt in der Tat selber Bedenken, weil so viele Familien mit Kindern direkt nebenan wohnen. Man wolle sich bei der Prüfung der Anträge besondere Mühe geben laut der Stadt. In der Tat darf der Betrieb des Puffs schon auf Hochtouren laufen, obwohl noch nicht alle Genehmigungen vorliegen.